Saints Row

BGH | Urteil vom 17.12.2020 | I ZR 228/19

Zwischen dem Rechtsinhaber, dessen urheberrechtlich geschütztes Werk ohne seine Zustimmung über eine Internettauschbörse öffentlich zugänglich gemacht wird, und dem hierfür nicht als Täter, Teilnehmer oder Störer verantwortlichen Inhaber des Internetanschlusses, über den die Urheberrechtsverletzung begangen worden ist, besteht regelmäßig keine gesetzliche Sonderverbindung, die den Anschlussinhaber dazu verpflichtet, den Rechtsinhaber vorgerichtlich über den ihm bekannten Täter der Urheberrechtsverletzung aufzuklären.

Urteil im Volltext unter www.bundesgerichtshof.de

Grundgesetzliche Abwägung bei Filesharing über Familien-Internet-Anschluss

BVerfG | Beschluss vom 18.02.2019 | 1 BvR 2556/17

Die zur Wahrung von Art. 6 GG gewährte faktische „Wahlmöglichkeit“ im Zivilprozess, innerfamiliäres Wissen zu offenbaren oder aber zu schweigen, kann bei der Tatsachenwürdigung keinen Vorrang vor der Durchsetzung des Art. 14 GG unterfallenden Leistungsschutzrechts beanspruchen. Der Schutz der Familie dient nicht dazu, sich aus taktischen Erwägungen der eigenen Haftung für die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums zu entziehen. Der bloße Umstand, mit anderen Familienmitgliedern zusammenzuleben, führt nicht automatisch zum Haftungsausschluss für den Anschlussinhaber.

Urteil im Volltext unter www.bundesverfassungsgericht.de

Nutzung eines Familien-Internet-Anschlusses

EuGH | Urteil vom 18.10.2018 | C-149/17

Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft in Verbindung mit ihrem Art. 3 Abs. 1 einerseits und Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums andererseits sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren streitigen in der Auslegung durch das zuständige nationale Gericht entgegenstehen, wonach der Inhaber eines Internetanschlusses, über den Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing begangen wurden, nicht haftbar gemacht werden kann, wenn er mindestens ein Familienmitglied benennt, dem der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war, ohne nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch dieses Familienmitglied mitzuteilen.

Urteil im Volltext unter curia.europa.eu

Dead Island

BGH | Urteil vom 26.07.2018 | 1 ZR 64/17

a) Der an die Stelle der bisherigen Störerhaftung des Zugangsvermittlers für von Dritten begangene Rechtsverletzungen getretene Sperranspruch nach §7 Abs.4 TMG nF ist unionsrechtskonform dahingehend fortzubilden, dass er in analoger Anwendung gegen Betreiber drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden kann.

b) Kann der Sperranspruch nach § 7 Abs. 4 TMG nF nicht nur gegen WLAN-Betreiber, sondern auch gegen Anbieter drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden, bestehen gegen die Anwendung des Ausschlusses von Unterlassungsansprüchen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nF keine durchgreifenden unionsrechtlichen Bedenken.

c) Wird in einem vor Inkrafttreten der § 7 Abs. 4, § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nF anhängig gemachten, nach dem Inkrafttreten dieser Vorschriften andauernden Rechtsstreit der Internetzugangsvermittler wegen Urheberrechtsverletzungen, die Dritte über den von ihm bereitgestellten Internetanschluss begangen haben, auf Unterlassung in Anspruch genommen, so ist dem Kläger Gelegenheit zu geben, seinen Klageantrag an die Erfordernisse eines möglichen Sperranspruchs nach § 7 Abs. 4 TMG nF anzupassen.

d) Soweit für die Inanspruchnahme auf Abmahnkostenersatz auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nF abzustellen ist, haftet der gewerbliche Betreiber eines Internetzugangs über WLAN für von Dritten begangene Urheberrechtsverletzungen mittels Filesharing erst nach Erhalt eines Hinweises darauf, dass über seinen Internetanschluss Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharing begangen worden sind. Für die Annahme der Haftung ist nicht erforderlich, dass das vom Hinweis erfasste und das durch die erneute Verletzung betroffene Werk identisch sind.

Urteil im Volltext unter www.bundesgerichtshof.de

Riptide

BGH | Urteil vom 22.03.2018 | I ZR 265/16

Spricht der Rechtsinhaber im Falle der öffentlichen Zugänglichmachung eines urheberrechtlich geschützten Werks über eine Internettauschbörse gegenüber dem für die Rechtsverletzung nicht verantwortlichen Anschlussinhaber eine Abmahnung aus, der daraufhin den Rechtsverletzer benennt, so umfasst der vom Rechtsverletzer zu leistende Schadensersatz die Kosten dieser Abmahnung.

Urteil im Volltext unter www.bundesgerichtshof.de

Loud

BGH | Urteil vom 30.03.2017 | I ZR 19/16

Im Falle einer über den von Eltern unterhaltenen Internetanschluss begangenen Urheberrechtsverletzung durch Teilnahme an einer Internettauschbörse umfasst die sekundäre Darlegungslast der Anschlussinhaber bei Inanspruchnahme durch den Urheber oder den Inhaber eines verwandten Schutzrechts – hier durch den Tonträgerhersteller – die Angabe des Namens ihres volljährigen Kindes, das ihnen gegenüber die Begehung der Rechtsverletzung zugegeben hat.

Urteil im Volltext unter www.bundesgerichtshof.de

Afterlife

BGH | Urteil vom 06.10.2016 | I ZR 154/15

a) Bei der Bestimmung der Reichweite der dem Inhaber eines Internetanschlusses im Falle einer über seinen Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung obliegenden sekundären Darlegungslast zur Nutzung des Anschlusses durch andere Personen sind auf Seiten des Urheberrechtsinhabers die Eigentumsgrundrechte gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Handelt es sich bei den Personen, die den Anschluss mitgenutzt haben, um den Ehegatten oder Familienangehörige, so wirkt zugunsten des An-schlussinhabers der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 EU-Grundrechtecharta, Art. 6 Abs. 1 GG).

b) Dem Inhaber eines privaten Internetanschlusses ist es regelmäßig nicht zumutbar, die Internetnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Ebenfalls unzumutbar ist es regelmäßig, dem Anschlussinhaber die Untersuchung des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen.

Urteil im Volltext unter www.bundesgerichtshof.de

Haftung bei Betrieb eines öffentlichen WLAN-Hotspots

EuGH | Urteil vom 15.09.2016 | C-484/14

1. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie und mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Leistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die von dem Betreiber eines Kommunikationsnetzes erbracht wird und darin besteht, dass dieses Netz der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 darstellt, wenn diese Leistung von dem Anbieter zu Werbezwecken für von ihm verkaufte Güter oder angebotene Dienstleistungen erbracht wird.

2. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung genannte Dienst, der darin besteht, Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, bereits dann als erbracht anzusehen ist, wenn dieser Zugang den Rahmen des technischen, automatischen und passiven Vorgangs, der die erforderliche Übermittlung von Informationen gewährleistet, nicht überschreitet, ohne dass eine zusätzliche Anforderung erfüllt sein müsste.

3. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie vorgesehene Voraussetzung nicht im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie entsprechend gilt.

4. Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass es keine anderen Anforderungen als die in dieser Bestimmung genannte gibt, denen ein Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, unterläge.

5. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 ist dahin auszulegen, dass es ihm zuwiderläuft, dass derjenige, der durch eine Verletzung seiner Rechte an einem Werk geschädigt worden ist, gegen einen Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, Ansprüche auf Schadensersatz und auf Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahnkosten oder Gerichtskosten geltend machen kann, weil dieser Zugang von Dritten für die Verletzung seiner Rechte genutzt worden ist. Hingegen ist diese Bestimmung dahin auszulegen, dass es ihr nicht zuwiderläuft, dass der Geschädigte die Unterlassung dieser Rechtsverletzung sowie die Zahlung der Abmahnkosten und Gerichtskosten von einem Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt und dessen Dienste für diese Rechtsverletzung genutzt worden sind, verlangt, sofern diese Ansprüche darauf abzielen oder daraus folgen, dass eine innerstaatliche Behörde oder ein innerstaatliches Gericht eine Anordnung erlässt, mit der dem Diensteanbieter untersagt wird, die Fortsetzung der Rechtsverletzung zu ermöglichen.

6. Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 der Richtlinie 2000/31 ist unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Grundrechtsschutzes und der Regelungen der Richtlinien 2001/29 und 2004/48 dahin auszulegen, dass er grundsätzlich nicht dem Erlass einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, mit der einem Diensteanbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz, das der Öffentlichkeit Anschluss an das Internet ermöglicht, vermittelt, unter Androhung von Ordnungsgeld aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, der Öffentlichkeit mittels dieses Internetanschlusses ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile davon über eine Internettauschbörse („peer-to-peer“) zur Verfügung zu stellen, wenn der Diensteanbieter die Wahl hat, welche technischen Maßnahmen er ergreift, um dieser Anordnung zu entsprechen, und zwar auch dann, wenn sich diese Wahl allein auf die Maßnahme reduziert, den Internetanschluss durch ein Passwort zu sichern, sofern die Nutzer dieses Netzes, um das erforderliche Passwort zu erhalten, ihre Identität offenbaren müssen und daher nicht anonym handeln können, was durch das vorlegende Gericht zu überprüfen ist.

Urteil im Volltext unter curia.europa.eu

Everytime we touch

BGH | Urteil vom 12.05.2016 | I ZR 48/15

Der Restschadensersatzanspruch aus § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB, der sich auf die Herausgabe des durch den rechtswidrigen Eingriff Erlangten erstreckt, kann in Fällen des widerrechtlichen öffentlichen Zugänglichmachens eines urheberrechtlich geschützten Werks über eine Internettauschbörse mittels einer fiktiven Lizenz berechnet werden.

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Tauschbörse III

BGH | Urteil vom 11.06.2015 | I ZR 75/14

Der Inhaber eines Internetanschlusses, über den eine Rechtsverletzung begangen wird, genügt seiner sekundären Darlegungslast im Hinblick darauf, ob andere Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten, nicht dadurch, dass er lediglich pauschal die theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss behauptet (Fortführung von BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 – BearShare).

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Tauschbörse II

BGH | Urteil vom 11.06.2015 | I ZR 7/14

a) Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen zu verhindern. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Nicht ausreichend ist es insoweit, dem Kind nur die Einhaltung allgemeiner Regeln zu einem ordentlichen Verhalten aufzugeben (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. November 2012 -I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 – Morpheus).

b) Sind Eltern gemäß § 832 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht für eine durch die zu beaufsichtigende Person widerrechtlich herbeigeführte Urheberrechtsverletzung verantwortlich, kann der zu ersetzende Schaden nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden.

Urteil im Volltext unter www.bundesgerichtshof.de

Tauschbörse I

BGH | Urteil vom 11.06.2015 | I ZR 19/14

a) Ist ein Tonträgerhersteller als Lieferant eines Musikalbums in der von der Ph.GmbH betriebenen Katalogdatenbank eingetragen, stellt dies ein erhebliches Indiz für die Inhaberschaft von Tonträgerherstellerrechten an den auf dem Album enthaltenen Musikaufnahmen dar, das nur durch den Vortrag konkreter Anhaltspunkte entkräftet werden kann, die gegen die Richtigkeit der in der Datenbank zu findenden Angaben sprechen.

b) Der Beweis, dass unter einer IP-Adresse während eines bestimmten Zeitraums Musikdateien öffentlich zugänglich gemacht worden sind, kann dadurch geführt werden, dass ein durch Screenshots dokumentierter Ermittlungsvorgang des vom klagenden Tonträgerhersteller beauftragten Unternehmens vorgelegt und der regelmäßige Ablauf des Ermittlungsvorgangs durch einen Mitarbeiter des Unternehmens erläutert wird.

c) Der Beweis, dass eine durch das mit den Nachforschungen beauftragte Unternehmen ermittelte IP-Adresse zum Tatzeitpunkt einem konkreten Internetanschluss zugeordnet war, kann regelmäßig durch die vom Internetprovider im Rahmen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen zur Aufklärung von Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharing durchgeführte Zuordnung geführt werden. Fehlt es an konkreten Anhaltspunkten für eine Fehlzuordnung, ist es nicht erforderlich, dass ein Tonträgerhersteller nachweist, dass die durch den Internetprovider vorgenommenen Zuordnungen stets absolut fehlerfrei sind.

Urteil im Volltext unter www.bundesgerichtshof.de